Was ist Heimat? Diese Frage ist nicht erst wieder brisant, seitdem ein „Heimatministerium“ in Deutschland eingerichtet wurde. Vor nicht allzu langer Zeit gehörte der Begriff Heimat zum Repertoire der Relikte aus der Vergangenheit. Heimat war eine verklärte Idylle, die beim Großteil der Menschen ein beklemmendes Gefühl von längst vergangenen Zeiten hervorrief. Eines ist klar: wir leben aktuell in einer rückwärtsgewandten Zeit.
Die Ausstellung „heim+heimat“ entführt uns visuell in den Wirrwarr dieses hochaufgeladenen Begriffs der Heimat. Die Konzeptkünstlerin Sabine Kürzel präsentiert in der Galerie RUBRECHTCONTEMPORARY in Wiesbaden vom 30. Juni bis 31. August 2018 eine Auswahl ihrer Werke. Sie kombiniert „die Heimat“ mit dem nicht weniger problematischen Begriff des „Heims“ – und treibt das Spiel somit auf die Spitze. In ihren Werken fühlt sich der Betrachter durch die Alltäglichkeit und Vertrautheit der Elemente vor den Kopf gestoßen. Das gelingt der Künstlerin, indem sie bekannte Deko-Elementen und Gegenstände aus der häuslichen Umgebung mit alltäglichen Dingen, wie Worten und Bildwelten in ihren Kunstwerken zusammenbringt. Das Geschirrtuchmuster umrahmt wie ein Bilderrahmen das Motiv im Inneren – oder wird gleich als Ganzes zum Bildmotiv. Servietten werden zur Leinwand und zeigen bekannte Gesichter oder verfremdetes Essen. Ein Stickbild ruft dem Betrachter das Wort „Schlampe“ entgegen – auf einem anderen lacht eine glückliche Kuh. Diese radikale Nähe erzeugt zugleich ein Gefühl der Fremdheit und Befremdung – das Gewohnte erscheint uns fern. Andere Kunstwerke erinnern mit ihren Motiven wie Puppen, Tapetenmustern oder Kinderbeinen in der Küche an längst vergangene Zeiten. Wir fühlen uns in eine Welt zurückversetzt voller bunter Klischees, voller schreiender Idylle, voller kindlicher Naivität – und fragen uns zugleich, ob wir das wirklich wollen. Bin ich der Fremdkörper in dieser heimeligen Welt – oder ist mir die Heimat längst fremd geworden?
Es ist ein perfides Spiel von Nähe und Distanz, von Erkennen und Verfremden, von Alltag und Wahnsinn, von dem Eigenen und dem Fremden, das der Gesellschaft den Spiegel vorhält. Ist es das, was wir unter Heimat und Zuhause verstehen wollen?
Sabine Kürzel, 1964 in Stuttgart geboren, studierte von 1984 bis 1990 Bildende Kunst an der HBK Braunschweig, seit 1993 ist sie als freie Künstlerin tätig. Ihre Werke wurden bereits in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert. Der Galerist Leander Rubrecht zeigte ihre Kunstwerke erstmals im Jahr 1999 in Frankfurt, seit 2013 wird Sabine Kürzel von seiner Galerie RUBRECHTCONTEMPORARY vertreten. Ihre Kunstwerke haben häufig einen autobiografischen Bezug. Sabine Kürzel beschreibt sich selbst als konzeptionelle Künstlerin, die die Medien der bildenden Kunst, zum Beispiel Fotografie oder Objekt, als Mittel nutzt, um ein Statement zum Ausdruck zu bringen. Sie bevorzugt es, alltägliche Dinge aus ihrem gewohnten Umfeld zu nehmen und sie zu etwas Neuem zusammenzusetzen – ein neues Ereignis zu schaffen, wie sie es nennt.
Die Künstlerin Sabine Kürzel kombiniert in ihrer farbenfrohen Welt Malerei sowie digitale Malerei und Fotografie zu neuen Formen der Bildgestaltung. Ihre sehr flächig angelegten Gemälde der frühen Schaffensperiode erinnern an Stoff- und Tapetendrucke. – Mittlerweile kombiniert Sabine Kürzel abfotografierte Werbefotos von Gegenständen aus der Kindheit wie z.B. Puppenstuben oder von Dekorationselementen aus Privathaushalten mit Malerei, zeichnerischen Ergänzungen oder digitaler Malerei.
Die Techniken der Sabine Kürzel lassen den Betrachter staunen: Einerseits montiert sie plakativ Fotoelemente in ihre Bilder, andererseits schafft sie nahtlos Übergänge, die es dem Betrachter schwer machen, Foto und Malerei auseinander zu halten. Ein Spiel mit der Wahrnehmung, mit dem Abbild, mit der ambivalenten bildeigenen Wirklichkeit.
Ihre digitale Foto- Farbwelt scheint eine Welt „en miniature“ zu sein: Puppenstubenbilder werden zu vergrößerten Ausschnitten einer Farbenwelt der Kindheit, der Erinnerung, der familiären Geborgenheit und der bürgerlichen Häuslichkeit. – Durch die digitale Überarbeitung werden ihre Fotos zu „digital paintings“. – Selbst sagt die Künstlerin dazu: Auch wenn ich fotografiere bleibe ich immer Malerin“.
Kürzels Gemälde und Fotografien werden ergänzt von Stoffobjekten, die sich die Bühne des Galerie- Cafes erobert haben! Sie lassen den spielerischen und doch hintergründigen Zugang zur Alltagswelt mit ihrer ganz eigenen fröhlichen Poesie zum Erlebnis werden!
© Copyright by Sabine Kürzel