Neue Osnabrücker Zeitung, 14. Okt. 2022

von Dr. Stefan Lüddemann

zu der Ausstellung "Kunstpreis Osnabrück 2022"


Neue Osnabrücker Zeitung, 18. Okt. 2018

von Dr. Stefan Lüddemann

zu der Ausstellung "Kunstpreis Osnabrück 2018"

 

AUSSTELLUNG IM MUSEUMSQUARTIER

wilde 13: kandidaten für osnabrücker kunstpreis


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Osnabrück. Der Osnabrücker Kunstpreis geht in die zweite Runde. Das Museumsquartier zeigt die Werke von 13 Künstlerinnen und Künstlern, die es aus 136 Einreichern in die Endauswahl schafften. Ein Sieger steht jetzt schon fest: die Kunst, denn es ist eine richtig gute Ausstellung geworden.

Aus jedem Zimmer hallt ein anderer Laut. Jeder Raum gibt diesem leeren Haus einen befremdlichen Klang. Der Künstler Fritjof Mangerich hat in jedem Raum des Braunschweiger Gebäudes in die Hände geklatscht und die unheimlich nachhallenden Töne konserviert. Für „Eine andere Stimme“ montierte er ein Modell des Hauses, Fotos und Sound zu einer Installation. Wo sind die Bewohner des Hauses geblieben? Warum klingt kalt und leer, was doch Schutz und Geborgenheit vermitteln sollte - das Haus nämlich? Mangerichs Raumkunst gehört zur Ausstellung jener 13 Künstlerinnen und Künstler, die ins Finale des Osnabrücker Kunstpreises 2018 gekommen sind. Die Preisträger werden erst am 2. Dezember bekanntgegeben werden. Eines ist aber jetzt schon klar: Die Ausstellung im Osnabrücker Museumsquartier präsentiert eine richtig starke „Wilde 13“. Hier weiterlesen: 13 Künstlerinnen und Künstler für den Osnabrücker Kunstpreis 2018 nominiert.

kunst als zeitdiagnose

Ja, diese Ausstellung zeigt, wie Museumschef und Jurymitglied Nils-Arne Kässens sagte, den „kreativen Reichtum einer Region“. Darüber hinaus entfaltet die Schau zeitdiagnostischen Wert ohne dass ihre künstlerischen Positionen den Betrachter an irgendeiner Stelle mit schlichten Botschaften belehrten. Nein, diese Werke öffnen den Blick für eine Kunst, wie sie sein soll: Exponat für Exponat ein visuelles Abenteuer, das herausfordert, den Blick auf vermeintlich sichere Wirklichkeit neu zu finden. Das gilt für Sabine Kürzels Bild einer Kindheit im Jahr 1973, die sich in gemalte Schemen befremdlich auflöst, und für Christoph Peter Seidels zu schiefen Rastern deformierte Farbkörper, die erst auf der Reise zu ihrer endgültigen Gestalt zu sein scheinen. Unaufdringlich, aber stark - das gilt für eigentlich jedes der im Oberlichtsaal des Museums ausgestellten Werke.

spannende ausstellung

Ganz gleich, wer am Ende das Rennen macht - der Osnabrücker Kunstpreis selbst macht in seiner zweiten Ausgabe nach dem Gründungsjahr 2016 einen Sprung nach vorn. Medienmix und Qualität der ausgestellten Arbeiten zeigen, dass der Preis wirklich spannende Ausstellungen produziert. Die Sievert-Stiftung, die die ersten drei Ausgaben des Preises mit 120000 Euro unterstützt, will kontinuierlich fördern, wie Niklas und Gerrit Sievert für die Stiftung sagten. Und warum werden keine Werke aus den Ausstellungen für eine Osnabrücker Sammlung zeitgenössischer Kunst erworben? Es fehlt an Depotplatz und an betreuendem Personal, sagt Nils-Arne Kässens. Schade eigentlich.

Wilfried Bohne, Jörg Bussmann, Gian Luca Cadeddu, Ben Dexel, Christian Fehse, Thomas Fleischer, Birgit Kannengießer, Sabine Kürzel, Merle Lembeck, Fritjof Mangerich, Frauke Sawusch, Christoph Peter Seidel und Hans-Jürgen Simon.

Mitglieder der Jury sind: Meike Behm (Direktorin der Kunsthalle Lingen), Dr. Ulrike Hamm (Vorstandsvorsitzende des Museums- und Kunstvereins), Prof. Dr. Wulf Herzogenrath (Direktor der Sektion Bildende Kunst der Akademie der Künste Berlin), Prof. Dr. Barbara Kaesbohrer (Professorin für Zeitbasierte Kunst an der Universität Osnabrück) und Nils-Arne Kässens (Direktor Museumsquartier Osnabrück).

 

 


Neue Osnabrücker Zeitung, 5. August 2005

von Tom Bullmann

zu der Ausstellung: "Sabine Kürzel: 1989 – 2004“- fotografische Arbeiten/Fotocollagen, intervision-studio Osnabrück – Galerie für Fotografie und angrenzende Richtungen, 2005

Blütenträume aus Fleisch und Wurst

Warum wurde der Hauseingang zur Straße zugemauert? Gibt es überhaupt noch einen Zugang zu diesem Einfamilienhaus? Warum sind bei helllichtem Tag die Rollläden eines anderen Hauses heruntergelassen. Ist es, um die Sonneneinstrahlung abzuwehren oder sitzt der Bewohner den ganzen Tag vor dem Fernseher? Fragen provozieren die Fotografien von Eigenheimen, die Sabine Kürzel in Osnabrück fotografiert hat. Die Gebäude, an denen man normalerweise achtlos vorbeifährt, werden in den Fotos zum Objekt der besonderen Aufmerksamkeit: Ist es tatsächlich so, dass ein Haus die Seele der darin lebenden Menschen widerspiegelt? Die in Osnabrück wirkende Künstlerin lichtete die zum Teil ausgesprochen tristen Wohnobjekte ab, um sie aus der vertrauten Umgebung, der Realität herauszugreifen, um sie mittels der Präsentation als großformatiges Foto in einen anderen Zusammenhang zu stellen. Schnöder Alltag wird als Kunstwerk deklariert. Ähnlich verfuhr die Osnabrückerin, als sie in den 90er Jahren beispielsweise mit der Abbildung von Geschirrtüchern Vertrautes und Alltägliches, ja Banales in den Mittelpunkt ihrer Kunst stellte. Heute geht die gebürtige Stuttgarterin so weit, für ihre Serie „Fleischblüten“ Werbeprospekte und Wurfsendungen zu verwerten.

„1989 bis 2004“ ist der Titel einer Ausstellung, die heute im intervision-studio an der Lohstraße eröffnet wird. Es handelt sich nicht um eine Retrospektive, wie der Titel suggerieren könnte. Studio-Betreiberin Sonia Wohlfarth Steinert wählte für die Schau nur Fotografien, Collagen und Fotoobjekte aus dem Werk Sabine Kürzels aus, die sich sonst auch als Malerin und Objektgestalterin betätigt. Die ältesten Arbeiten der Ausstellung stammen aus der Zeit, als die Künstlerin noch an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig studierte. Damals entstand eine Serie mit verfremdeten Selbstportraits sowie eine Reihe Aufnahmen, in denen sie ein männliches Model in skurrilen Posen und Räumen ablichtete.

Aktuellste Werke sind die „Fleischblüten“. Kürzel schnitt aus Werbeprospekten Abbildungen von angebotenem Fleisch und Wurst aus und setzte sie zu floralen Mustern zusammen: ein humorvoller Verfremdungseffekt. Die zum Teil regelrecht abstoßenden Fleischberge werden hier zu ästhetischen, geradezu dekorativen Objekten.


Neue Osnabrücker Zeitung, Stadtfeuilleton, 8. 11. 2000

von dr. stefan lüddemann

zu der Ausstellung „Der Stoff, aus dem die Träume sind“, Foyer für junge Kunst, Vereins- und Westbank Osnabrück, 2000

Vom Glück bleiben nur Restposten

Mehr als Porträts von Geschirrtüchern: Sabine Kürzel in der Vereinsbank

Träume sind etwas Schönes. Sie entführen aus dem Alltag, geben Bilder vom Glück. Die

Künstlerin Sabine Kürzel lässt die Träume jedoch am nächs­ten Tapetenmuster enden. „Der Stoff aus dem die Träume sind“: Den Titel ihrer neuen Ausstellung konfrontiert die Künstlerin mit lakonischen Bildern von einer sauberen Welt, der alle Hoffnung ausge­trieben ist. Denn hier ist die Schönheit zum Muster inflationiert, jedes Dekor zur Mas­senware verödet. Der Terror des Designs entlarvt jede vor­gebliche Abwechslung als bloßen Leerlauf. Solche Le­benswelt ist furchtbar, weil sie keinen Ausweg lässt.

 

Umfassende Recherche in der Alltagskultur

Sabine Kürzel hat den Hor­ror der Konvention mit ihren Bildern von

Geschirrtüchern und kitschigen Postkarten sichtbar gemacht. Dieser Bild-weit entsprach ein Arbeitsver­fahren, dass Handwerk an die Stelle der Inspiration setzte und mit der Wahl von Ge­brauchsgütern als Vorlage ih­rer Bilder auch den Stellenwert von Kunst ironisch befragte. 1998 präsentierte die Künstle­rin in der Stadtgalerie diese klar umrissene Position, die je­doch auf das Werk der Künst­lerin selbst zurückzuschlagen drohte. Denn die pfiffige Bild-Idee der „Geschirrtuchwerke“ hätte sich zur Monotonie ver­festigen können. Die Präsenta­tion in der Vereins- und West­bank belegt nun, dass Sabine Kürzel ihre Arbeit zu einer umfassenden Recherche in der Alltagskultur ausgeweitet hat.

Die Künstlerin hat ihre Ma­lerei mit Objekten und Fotoar­beiten kombiniert. Die Wahl weiterer Medien verweist auf einen inhaltlich fortgeschrit­tenen Ansatz. So ergänzt Sa­bine Kürzel nun ihre „Por­träts“ von Geschirrtüchern mit bunten Kleidungsobjek­ten            (,‚Bunte Garderobe“), die zugleich eine Familienkon­stellation satirisch verkörpern. Die Bildserie „Restposten“ kombiniert Ausschnitte aus Stoff- und Tapetenmustern zu ebenso bunter wie nichtssa­gender Pluralität, die allge­mein akzeptierte Geschmacksentscheidungen obsolet ge­macht hat.

 

Die Konvention ist alles: Diese Einsicht macht die Künstlerin schließlich mit Fotoserien aus Thüringen sichtbar. Ihre „Urlaubsgrüße“ bestehen aus Ansichten von tristen Fassaden und Gartenzwergen, von Wischtüchern und Perlonkitteln. Das genormte Leben lässt keine Alternative zu. In eine ähnli­che Richtung weisen schließlich auch die „Einfamilienhausbau“ - Bilder, die den Traum vom Eigenheim-Glück als giftig bunte Scherenschnittwelt entlarven. Da wartet kein Glück, sondern nur noch Entfrem­dung.


Neue Osnabrücker Zeitung, Stadtfeuilleton, 17. Jan. 1998

von dr. stefan Lüddemann

zu der Ausstellung „Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, Stadtgalerie Osnabrück, 1998

Geheimer Horror der Ordnung
Der kreative Akt geschieht im Kopf. Das Malen selbst ist penibel ausgeführte Arbeit. Streifen um Streifen auf den „Musterbildern“ wird ausgemalt. Kunst hat nicht nur etwas mit Ordnung zu tun, bei Sabine Kürzel scheint Kunst mit Ordnung fast gleichgesetzt zu sein. Die Ergebnisse dieser strengen Handarbeit können nun in der Stadtgalerie betrachtet werden: Sabine Kürzel zeigt rund 30 Bilder aus den Jahren 1996 bis 1998. 

Damit wird eine der Entdeckungen der „Arte Regionale“ von 1996 in einer Einzelausstellung präsentiert. ...
So werden Newcomer zu festen Größen der örtlichen Kunstszene gemacht. Bei Sabine Kürzel ist dieser Prozess rasch vorangekommen. Ihre Bilder – zum Teil von der Stadt angekauft – waren Teil der „Querschnitt“ – Ausstellung.
Zudem wird die Malerin von der „Galerie Phi“ vertreten, die auch die aktuelle Ausstellung mit ausrichtet.
Soviel Aufmerksamkeit gilt einer Künstlerin, die allein schon durch ihre klaren Konzeptionen ein Gewinn für eine Kunstszene ist, die das Informel bis zur erstarrten Pose weitergetrieben hat. Mit solch „unmittelbarer“ Bildproduktion hat Sabine Kürzel wenig zu tun. Ihre Arbeiten sind gleichsam medienkritisch zu verstehen. Ihre schon früher gezeigten „Postkartenbilder“ etwa stellen mit der Überblendung von Kitschmotiv und biederem Tischdeckenmuster auch die kollektive Vorstellung vom kleinen Glück aus. Das Kunstwerk transponiert in der Raum bewusster Betrachtung, was ansonsten standardisierte Bildformel bleibt – überaus wirksam, aber selten kritisch reflektiert.
Die Malerin hat diese Konzept in zwei neuen Serien noch einmal zugespitzt. Ihre gemalten „Geschirrhandtücher“ sehen wie echte Küchentextilien in Originalgröße aus. Das Muster sichert die Wiedererkennung, die bei näherem Hinsehen jedoch irritiert wird. Der Malakt verwandelt das Standardmuster zum abstrakten Bildgefüge. Das achtlos benutzte Utensil offenbart unvermutete ästhetische Qualität ebenso wie den geheimen Horror, der jeder sterilen Ordnung innewohnt.
Von diesem Horror berichten auch die kleinformatigen „Tapetenbilder“. Zwölf Arbeiten, alle im kompakten „Goldrahmen“, setzen Tapetenmuster und Malerei gegeneinander. Was unter als Musterbuch Heimeligkeit verbreiten soll, gefriert als gerahmtes Bild zur Chiffre kalter Erstarrung. Die Hölle des Alltags – so ähnlich muss sie aussehen. 


Neue Osnabrücker Zeitung, Stadtfeuilleton, 19. Juni 1996

von Dr. Stefan Lüddemann

Die neue Kunstszene (1): Sabine Kürzel

Genau geplante Persiflagen

 

Neue Themen, neue Konzepte und nicht zuletzt viele neue Namen – die erste Arte regionale“ zeigt eine Osnabrücker Kunstszene, deren Gesicht im Vergleich zu früheren Jahresausstellungen kaum wiederzuerkennen ist. Vor allem junge Künstlerinnen und Künstler, die bislang wenig wahrgenommen wurden, machen auf sich aufmerksam. In einer Serie von kurzen Portraits sollen während der Laufzeit der „Arte Regionale“ einige der „Newcomer“ vorgestellt werden, deren Bilder besonders beeindrucken. Natürlich ist dies nur eine Auswahl. Und Auswahlen sind – wie immer – höchst subjektiv.

 

Wenn Sabine Kürzel Postkartenmotiv und Tapetenmuster kombiniert, verwandelt sich die heimelige Idylle zum Abbild spießiger Verklemmtheit. Was wie eine Persiflage auf die 50er (oder 60er) Jahre wirkt, transportiert aber auch noch ein anderes, wichtigeres Anliegen. Erst in der Kombination vorgeformter Medien werden eingefahrene Muster der Wahrnehmung sichtbar. Spaß machen sollen diese genau geplanten Bilder und auch wieder das Nachdenken beim Betrachter in Gang setzen.

Das fordert Disziplin – vor allem beim Machen von Kunst. „Ich habe etwas gegen Malerei aus dem Bauch heraus“, betont denn auch die Künstlerin, die in der Atelier- und Produzentengalerie an der Wachsbleiche arbeitet. Dabei hatte die in Stuttgart

geborene und im Landkreis Osnabrück aufgewachsene Sabine Kürzel zunächst zwischen 1984 und 1990 Bildende Kunst in Braunschweig studiert und dann noch zwei Jahre Kommunikationsdesign an der Hamburger Fachhochschule „angehängt“. Eher expressive Malerei markiert den Anfang der künstlerischen Arbeit, aber die gegenständlichen Motive drängen bald in die Richtung einer betont plakativen Malerei, die Muster integriert. Motive, die die ganze Tristesse der Freizeitgesellschaft ausstrahlen, erinnern an die englische Pop – Art, vor allem an David Hockney.

„Eigentlich wollte ich ja mit der Kunst aufhören“, sagt die 32 Jahre alte Sabine Kürzel, die zunächst Muster in großem Format gemalt hatte, dann aber viele Bilder vernichtete. Erst die Idee der Kombination von auf Leinwand gedruckten Postkartenmotiven mit gemalten Ornamenten gab der Arbeit frische Impulse. Wie frühere Bildgeschichten aus collagierten Fotos sind auch diese Bilder als Serie angelegt. „Irgendwann wird auch das beendet sein. Vielleicht mache ich dann reine Malerei im großen Format“, denkt die Künstlerin schon an nächste Projekte und sorgt mit Besuchen bei Hamburger und Kölner Künstlerkollegen für neue Anregungen: „Da sehe ich Sachen, die mich einfach vorantreiben.“ Der Erfolg scheint ihr Recht zu geben: Die Stadt hat zwei ihrer Arbeiten aus der „Arte Regionale“ bereits angekauft.